In dieser Arbeitsphase soll den Lernenden die Möglichkeit geboten werden, sich mit antisemitisch konnotierten Situationen auseinanderzusetzen und Handlungsoptionen abzuwägen sowie einzuüben. In jedem einzelnen Fallbeispiel konkretisiert sich die gesellschaftliche Realität und wird auf diese Weise greifbarer und zugänglicher. Die Annäherung an die jeweiligen Situationen
schafft im Idealfall einen bedeutsamen Raum für Reflexion und Perspektivenübernahme. Sie ermöglicht eine theoriegeleitete Reflexion einer pädagogischen und sozialen Situation unter Einbeziehung eigener Fragen und Erfahrungswerte.
Die Methode wurde vom Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung in Kooperation mit Yad Vashem konzipiert und erstellt. Die Methode findet ihr im PDF Format hier: Methode Fallarbeit
Bei der Arbeit mit den Fällen ist auf Folgendes zu achten:
– Reproduktionsstopp anstreben: Kommt es bei der Fallbesprechung oder Fallanalyse zu stereotypisierenden Beschreibungen, ist es wichtig diese in ihrem antisemitischen Gehalt zu erkennen und zu unterbrechen bzw. die Gruppe darauf aufmerksam zu machen.
– Generalisierung minimieren: Erfahrungen und Umgangsweisen von Betroffenen in einzelnen Situationen sollen nicht generalisiert werden. Menschen machen unterschiedliche Erfahrungen und reagieren auch unterschiedlich auf ähnliche Vorkommnisse.
– Abwertung vermeiden: Im Fokus stehen nicht die tatsächlichen oder vermeintlichen Verhaltensweisen von Jüdinnen*Juden, sondern die Rahmenbedingungen und Strukturen sowie Verhaltensweisen von anderen Beteiligten.
Die Lernenden sollen
– in der Lage sein, Antisemitismus zu identifizieren und den antisemitischen Gehalt bzw. eventuelle historische Kontinuitäten zu benennen.
– sensibilisiert werden für die unmittelbaren und weiterreichenden Auswirkungen von Antisemitismus für die Betroffenen.
– in der Lage sein, die unmittelbaren und weiterreichenden Auswirkungen von Antisemitismus für die anderen Beteiligten (Zuschauer*innen, Zuhörer*innen) einzuschätzen.
1. Für die Teilnehmenden:
– 13 Karten mit Fallbeispielen (Die Teilnehmenden bekommen nur die Fälle in der Box, nicht die Zusatzinformationen) und Diskussionsimpulsen für die Gruppenarbeit . Die Fallbeispiele und Diskussionsimpulse findet ihr hier: 13 Fallbeispiele / Arbeit mit Fallbeispielen
– Arbeitsblatt Antisemitismus. Die Kopiervorlage findet ihr hier: Arbeitsblatt Antisemitismus
– 13 Plakate oder Flipchart-Papiere, Stifte und Marker in verschiedenen Farben
2. Für die Durchführenden:
– 13 Karten mit Fallbeispielen einschliesslich Zusatzinformationen (große Karten). Die Kopiervorlagen findet ihr hier: 13 Fallbeispiele
– Moderationskarte #2 für die Auswertungsphase. Diese findet ihr hier: Moderationskarte #2 Antisemitismus
– Tafel (optional auch Whiteboard oder Flipchart) zur Visualisierung der Auswertung
Arbeit in Kleingruppen, dann Zusammenführung im Plenum. Die Kleingruppen sollten in etwa die gleiche Gruppenstärke haben.
90–135 Minuten
1. Schritt: Einstiegsphase/Einteilung der Gruppen (20–30 Minuten)
Die Fallbeispiele werden im Klassenraum ausgelegt. Anzahl und Auswahl der zu bearbeitenden Fallbeispiele werden durch die Lehrkraft festgelegt. Die Schüler*innen lesen alle Fallbeispiele durch und stellen sich zu dem Fall, der sie besonders interessiert bzw.
anspricht. Auf freiwilliger Basis kann nun jede*r Teilnehmende erläutern, warum der Fall ihn*sie interessiert. Option: Je nach Einschätzung der Lernsituation kann dieser Schritt auch weggelassen werden. Die Lehrkraft teilt dann die Fallbeispiele den Kleingruppen zu.
2. Bearbeitungsphase (30 Minuten)
Die Kleingruppen ziehen sich nun mit ihrem jeweiligen Fall in die Gruppenphase zurück und bearbeiten die Diskussionsimpulse. Nach der Gruppendiskussion und Bearbeitung der Fragen sollen die Teilnehmer*innen in den Kleingruppen eine kurze Vorstellung ihres
Falles vorbereiten und eine*n Sprecher*in für die Vorstellung im Plenum bestimmen. Zur Unterstützung der Präsentation kann es hilfreich sein, wenn jede Kleingruppe auf einem Poster oder Flipchart-Papier ihre Gedanken strukturiert und festhält.
3. Präsentationsphase (30 Minuten)
Nun erfolgt die Präsentation der einzelnen Gruppen. Nach jeder Präsentation bettet die Lehrperson die einzelnen Fälle in den jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Kontext ein, damit die Situation nicht individualisierend als Einzelfall betrachtet wird,
sondern als Teil gesellschaftlicher Wirklichkeit, die die Teilnehmenden umgibt. Dabei soll darauf geachtet werden, dass die in den Situationen enthaltenen Stereotypisierungen nicht verstärkt, sondern kritisch eingeordnet werden. Zur Unterstützung der Moderation
sind für Durchführende auf jeder Karte zentrale Aspekte und Informationen zum Kontext angeführt.
4. Auswertungsphase (30 Minuten)
Wenn alle Gruppen ihre Fälle vorgestellt haben, werden gemeinsam die zentralen Aspekte der Fälle zusammengefasst. In einer moderierten Plenumsdiskussion soll ein Schaubild erstellt werden, um die zentralen Erkenntnisse hervorzuheben, die aus den Fällen
gezogen werden können. Das Schaubild kann entlang der folgenden drei Dimensionen und den dazugehörigen
Leitfragen erarbeitet werden:
Dimensionen Leitfragen
Erscheinungsformen → Wie zeigt sich Antisemitismus?
Wirkungen → Wie wirkt Antisemitismus auf Betroffene?
Funktion → Was haben Menschen davon, antisemitisch zu denken, zu sprechen und zu handeln?
Die Teilnehmenden können gleichzeitig mit der Erstellung des Schaubilds ihr eigenes Arbeitsblatt erstellen. Dazu kann das Arbeitsblatt Antisemitismus ausgegeben werden. Für Durchführende steht die “Moderationskarte #2 – Antisemitismus” zur Verfügung.
Die Methode wurde vom Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung in Kooperation mit Yad Vashem konzipiert und erstellt. Die Methode findet ihr im PDF Format hier: Indirekter Einstieg
Auch diese Methode dient dem Einstieg in das Thema Antisemitismus. In dieser Variante geht der Arbeit zum Thema jedoch noch ein Schritt voran. Oft ist die Arbeit zu Antisemitismus
mit Widerständen und Ablehnung verbunden. Die folgende Variante wird für Gruppen empfohlen, bei denen Lehrer*innen davon ausgehen, dass die Lernenden dem Thema von vornherein Widerstand oder Ablehnung entgegenbringen. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn bestimmte Schüler*innen in der Gruppe selbst Diskriminierung erlebt haben (könnten) und dieser Erfahrung nicht genug Raum gegeben wurde. Für diese Ausgangssituation sollte nicht der oben beschriebene, direkte Einstieg in das Thema Antisemitismus gewählt werden (Variante 1), sondern über die Themen Ausgrenzung und Diskriminierung ein Zugang eröffnet werden. Oft können Teilnehmende, die selbst Diskriminierungs- oder Ausgrenzungserfahrungen gemacht haben, sich an diese auch erinnern und sie anschaulich beschreiben. Durch eine offene Einstiegsdiskussion über Diskriminierung wird den Lernenden die Möglichkeit geboten, sich in Beziehung zu dem Thema zu setzen und eigene Erfahrungen wie auch Vorstellungen in den Raum zu stellen. Erst danach folgt die Aufstellungsübung zu
Antisemitismus wie in Variante 1 des direkten Einstiegs beschrieben.
Vier Ecken (Aufstellung)
Ziel der Übung ist die Auseinandersetzung der einzelnen Teilnehmenden mit ihren Begegnungspunkten mit dem Thema. Darüber hinaus werden durch die Aufstellung die einzelnen Positionierungen der Teilnehmenden sichtbar, was unmittelbar zum Austausch einlädt. So wird ein gemeinsamer Diskussionsraum eröffnet. Die Methode bietet einen erfahrungsbasierten Einstieg in die weitere Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Durch eine vorgelagerte Diskussion zu den Themen Ausgrenzung und Diskriminierung werden die Schüler*innen angesprochen, die aus unterschiedlichen Gründen einen unmittelbaren Einstieg in das Thema Antisemitismus ablehnen könnten.
– möglichst freier Raum
– Materialien ausdrucken
– Kopien der vier Aussagen und der Begriffe „Diskriminierung“, „Ausgrenzung“ sowie „Antisemitismus“ auf DIN A4 Blättern; die Aussagen können auch per Hand auf Papier etc. notiert und ausgelegt werden. Hier findet ihr die Kopiervorlagen: MaterialienKopiervorlagen (Indirekter Einstieg)
– Moderationskarte #1 – Reflexion und Zusammenfassung & Diskussion. Hier findet ihr die Moderationskarte: Moderationskarte (Indirekter Einstieg)
Stuhlkreis, Aufstellung
20–45 Minuten
Im Stuhlkreis werden die Schüler*innen eingeladen, zu den Begriffen Ausgrenzung und Diskriminierung Stellung zu nehmen und das Thema zu diskutieren. Beide Begriffe werden als Ausdruck gut sichtbar für alle in der Mitte des Stuhlkreises auf den Boden gelegt. Für diese Diskussion steht Moderationskarte #1 – Diskussion zum Thema Ausgrenzung und Diskriminierung zur Verfügung. Abschließend fasst die Lehrkraft die Diskussionsergebnisse zusammen und verweist auf verschiedene Ausgrenzungsformen. Hierüber leitet sie dann zu dem spezifischen Thema Antisemitismus über.
Die Methode wird in Form einer Aufstellung durchgeführt. Bei einer Aufstellung werden die Teilnehmenden, eingeladen zu einem Thema Stellung zu nehmen, indem sie sich physisch im Raum aufstellen und damit im Wortsinn positionieren. So kann man z.B. durch räumliche Nähe Zustimmung zu einer Aussage ausdrücken, und durch Abstand inhaltliche Distanzierung.
Die ausgedruckten Blätter mit den vier Aussagen werden im Raum verteilt. Jeder Ausdruck wird in eine Ecke des Raumes gelegt. Das ausgedruckte Blatt mit dem Begriff Antisemitismus wird in die Mitte des Raums gelegt. Die Lehrkraft führt in die Methode ein, indem sie die Aufgabenstellung anmoderiert. Dies sollte in jedem Fall die Ankündigung umfassen, dass das Thema heute Antisemitismus ist. Je nach Wissensstand der Gruppe muss unter Umständen der Begriff „Antisemitismus“ kurz geklärt werden (siehe Vorüberlegungen, Kapitel 2, S. 6). Die Lehrkraft liest die einzelnen Aussagen vor und bittet die Schüler*innen, sich zu der für sie zutreffenden Aussage zu stellen. Sollten mehrere Aussagen auf sie zutreffen, steht es den Schüler*innen frei, sich auch entlang der Zwischenräume zu positionieren.
Nach der Aufstellung erfolgt eine gemeinsame Auswertung. Die Lehrkraft fragt die Schüler*innen, warum sie für sich diese Positionierung gewählt haben. Dabei ist es wichtig, auf die Dynamik in der Gruppe zu achten und mögliche Spannungen rechtzeitig aufzufangen. Es ist ratsam, danach zu fragen, ob und in welcher Ausführlichkeit die Beteiligten ihre Positionen mit anderen Beteiligten teilen möchten. Je nach Dynamik in der Gruppe wird es notwendig sein, einzelne Schüler*innen gezielt anzusprechen, während andere ihre Position spontan und unaufgefordert erläutern. Wichtig ist es hier, das Vertrauen der Schüler*innen den anderen gegenüber gut einzuschätzen, so dass niemand sich in einer unsicheren Situation wiederfindet. Es ist auch darauf zu achten, dass einzelne Schüler*innen nicht exponiert werden, dies vor allem bei der Aussage: „Ist mir schon begegnet“. Wenn die Schüler*innen von sich aus freiwillig mit der Gruppe ihre Erfahrungen teilen wollen, sollte dies wertschätzend aufgenommen werden. Keinesfalls sollten Schüler*innen dazu gedrängt werden, Erfahrungen zu teilen, wenn sie dies nicht wollen. Aussagen von Schüler*innen sollten weder positiv noch negativ bewertet werden. Ein wertschätzender Umgang miteinander bietet die Grundlage für die erfolgreiche Durchführung dieser Übung.
Es kann wieder im Stuhlkreis Platz genommen werden. Die Aussagen der Schüler*innen werden von der Lehrkraft an dieser Stelle nicht weiter kommentiert, da die Wirkung der Übung dadurch geschmälert werden kann. Die Lehrkraft sollte schließlich darauf eingehen, dass die in der Aufstellung sichtbar gewordene Komplexität nicht nur in dieser Gruppe, sondern in der Gesellschaft vorhanden ist.
Für diese Diskussion steht die weiter oben hinterlegte “Moderationskarte #1 – Reflexion und Zusammenfassung” zur Verfügung.
Die Methode wurde vom Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung in Kooperation mit Yad Vashem konzipiert und erstellt. Die Methode findet ihr im PDF Format hier: Direkter Einstieg
Diese Methode dient dem Einstieg in das Thema Antisemitismus. Viele der nicht-jüdischen Teilnehmenden können sich an keine eigenen Erfahrungen mit Antisemitismus erinnern. Die Methode bietet durch die Vorgabe von vier verschiedenen Erfahrungsdimensionen die Möglichkeit, sich in Beziehung zu dem Thema zu setzen. Die folgenden vier Aussagen geben mögliche eigene Bezüge zum Thema Antisemitismus wieder:
– Beschäftigt mich
– Ist mir schon begegnet
– Habe nie davon gehört
– Kommt in meinem Alltag nicht vor
Vier Ecken (Aufstellung)
Ziel der Übung ist die Auseinandersetzung der einzelnen Teilnehmenden mit dem Thema Antisemitismus. Darüber hinaus werden durch die Aufstellung die einzelnen Positionierungen der Teilnehmenden sichtbar, was unmittelbar zu einem Austausch über die je eigene Positionierung einlädt. So wird ein gemeinsamer Diskussionsraum eröffnet. Die Methode bietet einen erfahrungsbasierten Einstieg in das Thema und ebnet den Weg zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit Antisemitismus.
– möglichst freier Raum
– Materialien ausdrucken/kopieren
– Kopien der vier Aussagen (siehe S. 30) und des Begriffs „Antisemitismus“ auf DIN A4 Blättern; die Aussagen können auch per Hand auf Papier etc. notiert und ausgelegt werden. Hier findet ihr die Kopiervorlagen: Materialien/Kopiervorlagen (Direkter Einstieg)
– Moderationskarte #1 – Reflexion und Zusammenfassung. Hier findet ihr die Moderationskarte: Moderationskarte (Direkter Einstieg)
Aufstellung, Stuhlkreis
15–30 Minuten
Die Methode wird in Form einer Aufstellung durchgeführt. Bei einer Aufstellung werden die Teilnehmenden eingeladen, zu einem Thema Stellung zu nehmen, indem sie sich physisch im Raum aufstellen und damit im Wortsinn positionieren. So kann man z.B. durch räumliche Nähe Zustimmung zu einer Aussage ausdrücken, und durch Abstand inhaltliche Distanzierung.
Für die Einführung in die Methode nehmen die Schüler*innen im Stuhlkreis Platz. Die ausgedruckten Blätter mit den vier Aussagen werden im Raum verteilt. Jeder Ausdruck wird in eine Ecke des Raumes gelegt. Das ausgedruckte Blatt mit dem Begriff „Antisemitismus“ wird in die Mitte des Raums gelegt. Die Lehrkraft führt in die Methode ein, indem sie die Aufgabenstellung anmoderiert. Dies sollte in jedem Fall die Ankündigung umfassen, dass das Thema heute Antisemitismus ist. Je nach Wissensstand der Gruppe muss u.U. der Begriff „Antisemitismus“ kurz geklärt werden (siehe Vorüberlegungen der Handreichung im Reiter “Vorbereitung”). Die Lehrkraft liest die einzelnen Aussagen vor und bittet die Schüler*innen, sich zu der für sie zutreffenden Aussage zu stellen. Sollten mehrere Aussagen auf sie zutreffen, steht es den Schüler*innen frei, sich dazwischen zu positionieren.
Nach der Aufstellung erfolgt eine gemeinsame Auswertung. Die Lehrkraft fragt die Schüler*innen, warum sie für sich diese Positionierung gewählt haben. Dabei ist es wichtig, auf die Dynamik in der Gruppe zu achten und mögliche Spannungen rechtzeitig aufzufangen. Es ist ratsam, danach zu fragen, ob und in welcher Ausführlichkeit die Schüler*innen ihre Positionen mit den anderen teilen möchten. Je nach Dynamik in der Gruppe wird es notwendig sein, einzelne gezielt anzusprechen, während andere ihre Position spontan und unaufgefordert erläutern. Wichtig ist es hier das Vertrauen der Schüler*innen den anderen gegenüber gut einzuschätzen, so dass niemand sich in einer unsicheren Situation wiederfindet. Es ist auch darauf zu achten, dass einzelne Schüler*innen nicht exponiert werden, vor allem bei der Aussage: „Ist mir schon begegnet“. Wenn die Schüler*innen von sich aus freiwillig mit der Gruppe ihre Erfahrungen teilen wollen, sollte dies wertschätzend aufgenommen werden. Keinesfalls sollten Schüler*innen dazu gedrängt werden, Erfahrungen zu teilen, wenn sie dies nicht wollen. Aussagen von Schüler*innen sollten weder positiv noch negativ bewertet werden. Ein wertschätzender Umgang miteinander bietet die Grundlage für die erfolgreiche Durchführung dieser Übung.
Es kann wieder im Stuhlkreis Platz genommen werden. Die Aussagen der Schüler*innen werden von der Lehrkraft an dieser Stelle nicht weiter kommentiert, da die Wirkung der Übung dadurch geschmälert werden kann. Die Lehrkraft sollte schließlich darauf eingehen, dass die in der Aufstellung sichtbar gewordene Komplexität nicht nur in dieser Gruppe, sondern in der Gesellschaft vorhanden ist.
Für diese Diskussion steht die weiter oben hinterlegte “Moderationskarte #1 – Reflexion und Zusammenfassung” zur Verfügung.
Wir alle haben einen vielstimmigen Chor in uns. Nach welchen Stimmen handeln wir und nach welchen Kriterien wählen wir diese Stimmen aus ? Welche dieser Stimmen nehmen wir bewusst wahr und welche machen uns blind für Perspektiven und Erfahrungen anderer ? Warum kann es hilfreich sein, die inneren Stimmen zu erkennen, zu sortieren und möglicherweise neu zu ordnen? Die Fähigkeit, auch ambivalente und vielgestaltige Perspektiven anzuerkennen, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem differenzierten und selbstwirksamen Selbst. Diese Fähigkeit ist Ausdruck einer geschärften Wahrnehmung für die (eigene) innere Pluralität und hilft Brücken nach außen zu bauen, denn viele irrationale Momente der Abwehr und Abwertung sind Ausdruck von verinnerlichten und das Verhalten dominierenden Affekten und Denkfiguren. Wenn wir diese inneren Emotionen, Gedanken und Handlungsimpulse in ihrer Wirkung erkennen, in ihrer Verwobenheit durchschauen und konstruktiv, nicht als scham- und schuldbesetzt, erleben, gewinnen wir neue Perspektiven und Handlungsoptionen. In der Kommunikationspsychologie hat sich das Modell des Inneren Teams von Schulz von Thun als sehr wirksam erwiesen, um Selbst- und Rollenklärungsprozesse in der Innen- und Außenkommunikationen anzuleiten. Bevor die Konflikte sich im Außenfeld ereignen, finden sie im Innenraum statt. Diese Konflikte sind in der Regel von unterschiedlichen Stimmen – Meinungen und Einstellungen – begleitet, die häufig als ambivalent und widersprüchlich erlebt werden. Diese Stimmen, sofern nicht sinnvoll geordnet, können Blockaden auslösen, Emotionen aufrufen und Dissonanzen bilden, die einem selbstbestimmten Handeln im Wege stehen ( Schulz von Thun 2004 ). Im Kontext diversitätsreflexiver und machtkritischer Erwachsenenbildung kann der Ansatz der Stimmenreflexion nicht nur die Kommunikationsstörungen, sondern auch die dazu gehörigen Machtverhältnisse sichtbar machen und ihre Wirkung im eigenen Einflussbereich – zum Beispiel durch Reflexion und Bewusstwerdung – anregen.
Die Methode wurde von Marina Chernivsky, Christiane Friedrich und Jana Scheuring entwickelt und erschien 2014 in “Praxis Welten. Zwischenräume der Veränderung. Neue Wege zur Kompetenzerweiterung.”. Die Methode findet ihr im PDF Format hier, inklusive Vertiefungsangebot: Innere Stimmen im Dialog
Diese Übung zielt auf die Förderung von Selbstreflexion ab – auf die Wahrnehmung sowie Akzeptanz eigener Pluralität, Widersprüchlichkeit und Diversität. Ein weiteres Ziel ist die Stärkung der Selbstkommunikation über die Einübung des inneren Sprechens und der Selbstverbalisation. Die hier vorgeschlagenen Übungsschritte können zudem zur Forcierung von Entscheidungsprozessen beitragen. So können Erlebnisse, die noch diffus scheinen, sprachlich geformt und durch mentale Verbalisierungen oder auch Rollenspiele greifbar gemacht werden.
• Entmystifizierung von inneren Geheimnissen
• Förderung von Selbsterkenntnis und Selbstkommunikation
• Entwicklung neuer Bewältigungs- und Handlungsstrategien
• Generierung von ( neuen ) Ressourcen
Arbeitsform: Stuhlkreis
Gruppengröße: max. 20 Personen
Zeitumfang: 60 – 90 Minuten
Materialien: halbes Flipchart-Papier für jede Person und Stift, Flipchart für gemeinsame Sammlung von Gedanken, Emotionen und Handlungsimpulsen
In der Einzelarbeitsphase versuchen die Seminarteilnehmer*innen, eine Situation zu rekonstruieren und zu vergegenwärtigen. Dabei ist es wichtig, eine Situation zu nutzen, die sie als widersprüchlich oder ambivalent erlebt haben. Die Beteiligten können die dazugehörigen Stimmen und Meinungen notieren und innerlich festhalten. Ein klarer thematischer Bezug, die Einbettung der Übung in das leitende Seminarthema, ist wichtig, um die Situationssuche einzuengen und zu fokussieren.
Leitfrage für die Einzelarbeit mit der eigenen Situation: Denken Sie an eine Situation, die Sie als widersprüchlich oder ambivalent erlebt haben und fertigen Sie eine Übersicht an, welche die dazugehörigen Stimmen bebildert!
Hilfsfragen:
• Welche Stimmen ( Gefühle, Gedanken, Handlungsimpulse ) tauchen dabei auf?
• Wie sind die Stimmen geordnet ? Welche dieser Stimmen stehen möglicherweise in Konflikt oder im Widerspruch zueinander?
• Wie lassen sich diese Stimmen in einem Schema bebildern?
Alle Teilnehmenden bearbeiten nun ihre jeweilige Situation zuerst in stiller Reflexion. Neben der Bebilderung können die Gedanken, Gefühle und Impulse in Sätzen oder Stichpunkten notiert werden. Diese Form der Reflexion begünstigt den inneren Dialog und ist eine gute Grundlage für den Austausch in Kleingruppen. Bei der Einführung in die Einzelarbeit kann alternativ folgendes Frageraster zur Orientierung vorgegeben werden:
• Welche Gefühle löst die Situation in mir aus?
• Welche Gedanken sind damit verbunden?
• Welche Reaktionsmuster nehme ich in mir wahr?
• Habe ich erste spontane Handlungsimpulse?
Achten Sie bitte auf die unterschiedliche Intensität und das Tempo der einzelnen Stimmen. Manche sind leiser und kommen später, haben aber trotzdem Bedeutung!
Die Arbeit in Kleingruppen dient nun der Darstellung der zuvor erstellten Inneren Teams und dem aktiven Austausch mit anderen Teilnehmenden. Ferner bekommen die Gruppen die Aufgabe, ein gruppeneigenes Ergebnis zu entwickeln. Es ist möglich, die Gruppen um ein gemeinsames Bild zu bitten, das die verschiedenen Situationen und Stimmen im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in sich vereint.
Leitfrage für die Kleingruppenarbeit: Stellen Sie sich gegenseitig Ihre Zeichnungen vor und besprechen Sie folgende Fragen:
1. Welche Stimmenkonflikte kommen darin vor?
2. In welcher Beziehung stehen sie zueinander?
3. Welche Wirkungskraft haben diese Stimmen?
Die Gruppen werden gebeten, auf die Aufteilung der Gesprächszeit zu achten, damit alle Gruppenmitglieder zu Wort kommen und gehört werden. Es wird weiterhin darauf geachtet, dass die Vorstellungen anderer weder kommentiert und noch bewertet werden. Möglich ist das Nachfragen oder die Spiegelung der Resonanz in der Ich-Form : Wie meinen Sie das? Habe ich Sie richtig verstanden… ? Bei mir kommt es so an…
In der abschließenden Auswertung wird nun verdichtet und gefiltert, was in den einzelnen Kleingruppen sichtbar geworden ist. Die einzelnen Bebilderungen werden von den Gruppen vorgestellt und kommentiert. Zuerst geht es um die Vielfalt der Wahrnehmung und Wirkungsanalyse in einer dialogischen Plenumsdiskussion. Im zweiten Schritt geht es um die Integration der verschiedenen Stimmen und den Versuch, ihre Diversität in Einklang zu bringen.
Die Leitfragen für das Plenumsgespräch können lauten:
• Wie gehen wir mit der Vielfalt an Inneren Stimmen um?
• Inwieweit ist das Erkunden der Inneren Stimmen hilfreich und wichtig?
• Welche Relevanz hat dieses Erkunden für das Seminarthema, z. B. in der Diskriminierungsprävention?
Die Ergebnisse der Gruppenarbeit können alternativ symbolisiert vorgestellt und mit raumbezogenen Übungen ausprobiert werden. Dabei werden leere Stühle in die Raummitte gestellt und einzeln benannt. Den Stühlen können die jeweiligen Stimmen und Positionen durch die Teilnehmende zugeordnet werden.
Weitere Fragen für Erfahrungsaustausch :
• Wie haben Sie die Übung bisher erlebt?
• War es einfach/schwer für Sie, die Inneren Stimmen zu benennen?
• Haben Sie alle Stimmen erfasst oder ist etwas diffus geblieben?
• War ein überraschender Aspekt dabei?
• Ist Ihnen etwas besonders aufgefallen?
• Haben Sie Widersprüchliches wahrgenommen?
• Gab es stärkere bzw. schwächere Stimmen?
• Womit hängt das zusammen? Wie können Sie sich das erklären?
• Wieso stehen sie nicht immer im Einklang miteinander?
• Warum sind die Stimmen oftmals so diffus/widersprüchlich?
• Wie gehen Sie damit um? Geben Sie etwas von Ihrer Pluralität bzw. Widersprüchlichkeit nach außen preis? Wenn ja, was? Wenn nein, warum nicht?
Die Seminarleitung kündigt das Ende dieser Phase an und leitet die anschließende Integrationsphase ein:
1. Wie kann die Integration der Stimmen aussehen?
2. Welche Lösungsstrategien können hilfreich sein?
3. An welcher Stelle besteht ein Wunsch nach Veränderung?
In Deutschland gibt es im Alltag wenig Kontakt zu Juden oder Judentum. Dafür sind jedoch die Bilder von Juden – von Holocaust-Opfern, jüdischen Kommunisten oder israelischen Soldaten – im Übermaß präsent. Juden werden zum Teil immer noch als ein in sich homogenes, monolithisches Kollektiv wahrgenommen und mit stereotypen Merkmalen – Eigenschaften, Verhaltensweisen, gar Absichten – belegt. Dieser Form der Wahrnehmung liegt zumeist eine affektbezogene und durch Stereotype begründete Abneigung gegen alles »Jüdische« zugrunde, welche als eine Art Idiosynkrasie im kollektiven Bewusstsein der nicht jüdischen Mehrheit fest verankert ist und auch ohne die »jüdische« Präsenz oder das »jüdische« Verhalten auskommt
(Bundschuh 2007). Antisemitisch konnotierte Haltungen und Denkmuster sind zudem so normalisiert, dass sie nicht weiter auffallen und für ihre Träger*innen so »normal« sind, dass der Handlungsbedarf nicht gesehen wird und die Grenzen zwischen dem »Eigenen« und »Jüdischem« als naturgegeben und gleichzeitig als unveränderbar betrachtet werden (Schneider 2001).
»Vor dem Hintergrund der NS-Geschichte wirft die Konfrontation mit jüdischen Themen Fragen nach Schuld und Scham auf und berührt zentrale Aspekte der kollektiven deutschen Identität. Die Vorstellungen von Juden erinnern an die Last der Vergangenheit und gehen mit starken Emotionen einher. Auch der aktuelle Antisemitismus bleibt für viele Beteiligte nach wie vor ein unbequemes Thema und scheint nicht selten Widerstände und Abwehrreaktionen hervorzurufen. Im Privaten wird dieses diffuse Thema selten reflektiert, in den öffentlichen Diskursen wird es aber durch Skandalisierung und Polemisierung immer häufiger zum Tragen gebracht. « ( Chernivsky 2013, 34 ) Das zentrale Anliegen dieser Übung ist die Sensibilisierung der Beteiligten sowohl für ihre eigenen Bilder von Juden und jüdischen Lebenswelten als auch für die Funktion und Wirkung von Stereotypen und Zuschreibungen. Die eigenbiographische und selbstreflexive Beschäftigung mit schwelenden Phantasien oder Vorstellungen vom Jüdischen gilt hier als ein Element pädagogischer Professionalität im Umgang mit aktuellem Antisemitismus. In der Bildungsarbeit zu oder gegen Antisemitismus ist es wichtig, die unterschiedlichen generationsspezifischen Referenzrahmen und Bezugssetzungen zu reflektieren und stets im Blick zu behalten. » Dies umfasst Dimensionen, bei denen die subjektive emotionale und moralische Betroffenheit nicht ausgeblendet sowie problemlos eine professionell distanzierte und gelassene Haltung gegenüber einem objektivierbaren Lerngegenstand eingenommen werden kann. « ( Schäuble / Scherr 2007, 9 ). Insofern sind die Reflexion über familiale Verstrickungen, Einordnung von Konflikten und Analyse von Projektionen bedeutende Voraussetzungen für gelungene Lernprozesse, die nicht nur Wissen über Antisemitismus vermitteln, sondern in erster Linie die eigene Verstrickung in den Antisemitismus thematisieren und die damit einhergehenden Emotionen sowie Reaktionen enttabuisieren und besprechbar machen.
Die Methode wurde von Marina Chernivsky und erschien 2014 in “Praxis Welten. Zwischenräume der Veränderung. Neue Wege zur Kompetenzerweiterung.”. Die Methode findet ihr im PDF Format hier, inklusive Vertiefungsangebot: Perspektivwechsel, oder der andere Blick
Die Übung richtet sich an alle Interessierten, die sich mit ihrer Beziehung zum Antisemitismus auseinandersetzen möchten. Die Übung ist ein Rollenspiel und basiert auf der Bereitschaft der Beteiligten, die hier verhandelten Rollen anzunehmen und sich auf aktive Reflexionsprozesse einzulassen.
Arbeitsform: Stuhlkreis und ausreichend Raum für die Arbeit in Kleingruppen
Gruppengröße: 10–15 Personen
Zeitumfang: 90–120 Minuten, je nach Gruppengröße und Zeitkapazitäten
Materialien: je ein Merkmal pro Person, Visualisierung der Leitfragen am Flipchart oder Arbeitsblätter mit den Fragen für Einzelarbeit und Gruppenarbeit
Das Seminarteam verteilt die Rollen und bittet die Teilnehmenden, die neue Identität für einen definierten Zeitraum anzunehmen. Die Rollenübernahme und Reflexion über die damit einhergehenden Emotionen, Erfahrungen und Perspektiven vollzieht sich in der stillen Reflexion der Einzelarbeit, in der Phase der Kleingruppenarbeit und anschließend im gemeinsamen Plenum. Sowohl die Rollen als auch die gesamte Übung können jederzeit verlassen werden. Am Ende der Rolleneinheit ist es wichtig, aus der Rolle symbolisch auszutreten. Dafür reicht eine symbolische Bewegung oder ein anders Ritual je nach Wunsch und Bedarf der Einzelnen. Die unten aufgeführten Rollenkarten können per Zufall gezogen werden.
Liste der Rollen (Beispiele, ergänz- und austauschbar):
• Ich bin Jüdin*Jude.
• Mein*e Partner*in kommt aus Israel.
• Meine Tochter will einen jüdischen Mann heiraten.
• Meine Beziehungsperson ist zum Judentum übergetreten.
• Mein*e Partner*in ist jüdisch.
• Mein Chef ist ein orthodoxer Jude.
• Ich bin ein*e jüdische*r Zuwanderer*in aus Russland.
• Ich bin zum Judentum übergetreten.
In dieser Phase geht es vorerst um eigene Einstimmung und stille Reflexion über die Wirklichkeit der übernommenen Identität. Wie in jedem Rollenspiel geht es dabei um subjektive Deutungen der neuen Realität und keineswegs um tiefgreifende Kenntnisse, welche die Rolle füllen müssen. Es bedeutet, dass die Rollen frei und phantasievoll ausgestaltet werden dürfen, ohne dass das Normverständnis überwiegt. Folgende Fragen sind Wegweiser zur Reflexion über die mit der Rolle einhergehenden Perspektiven und Erfahrungen. Die Analyse findet nun aus der Rollenperspektive statt.
Einfühlungsfragen:
• Wie geht es mir mit dieser neuen Identität?
• Welche Erfahrungen kommen neu dazu?
• Wie reagiert mein » altes « Umfeld auf meine neue Identität?
• Wie würde meine Familie darauf reagieren?
• Welche Veränderungen im Alltag oder Beruf kommen auf mich zu?
Nach der Phase der stillen Reflexion in der Einzelarbeit werden nun Kleingruppen gebildet. Die Teilnehmenden verbleiben noch in ihren Rollen und ihr Auftrag besteht darin, sich über die ausgeteilten Rollenkarten sowie über die damit einhergehenden Gedanken, Gefühle und Veränderungen auszutauschen. Wichtig ist es, hier ein gemeinsames Ergebnis auszuhandeln, das alle drei Dimensionen zur Sprache bringt:
1 ) Wie geht es mir in dieser neuen Rolle?
2 ) Welche Fremdbilder und Erfahrungen kommen nun neu dazu?
3 ) Welche Veränderungen im Alltag und in anderen Lebensbereichen gehen damit einher?
Die Gruppen lösen sich auf, die jeweiligen Rollen werden mittels einer körperlichen Bewegung oder eines anderen Rituals verabschiedet. Anschließend findet eine Plenumsdiskussion statt.
Reflexions- und Auswertungsfragen:
• Wie verlief der Austausch in den Arbeitsgruppen?
• Konnten Sie einen Zugang zu der Übung finden?
• Von welchen Gefühlen war die Arbeit an der Übung begleitet?
• Welche Aspekte konnten in den Arbeitsgruppen reflektiert werden?
• Welche Stereotype und Ressentiments gehen mit diesen Merkmalen einher?
• Aus welchen Quellen haben Sie das » Wissen « über die Rollen bezogen?
• Was waren die häufigsten Assoziationen zu den Rollen?
• Welche Fragen zu den Rollen sind offen geblieben?
Befremdet-Sein ist ein alltägliches Phänomen. Es bedeutet, dass uns jemand oder etwas fremd erscheint oder befremdet. Oftmals wird dieses Erleben mit der Fremdheit des Gegenübers, beispielsweise über » seine « Kultur, Religion, Sprache oder Aussehen, erklärt und begründet. Der Rückgriff auf sozial erworbene Fremdheitsmaßstäbe deutet auf einen nationalen, soziokulturellen und gesellschaftspolitischen Rahmen hin, der die Identitäts- und Zugehörigkeitsordnungen für die Einzelnen wie auch ganze Gruppen dauerhaft bestimmt. Fremdheit wird somit als etwas gesellschaftlich Produziertes beschrieben: Fremde sind demnach nicht objektiv gegeben, sondern sie werden hergestellt. Dieser Herstellungsprozess wird erst dann möglich, wenn die dazu gehörigen expliziten wie auch impliziten Normen und Zugehörigkeitsparameter geteilt und befolgt werden. Die Fremdmachung – die Veranderung – schafft Abgrenzung und reguliert die Zugehörigkeitsordnungen in einer Gesellschaft. Dadurch kann deutlich gemacht werden, wer dazu gehört und wer als Fremde/r außen vor oder am Rande der Gesellschaft platziert wird. Die Gruppenunterscheidungen basieren überwiegend auf historisch vorstrukturierten und gesellschaftlich unberührten Wert- und Identitätsvorstellungen. Das Konstrukt der nationalen Identität ( z. B. Deutsch-Sein ) ist solch eine wirkmächtige Vorstellung, die trotz politischer Entscheidungs- oder gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse über Jahrhunderte stabil bleiben kann. Jens Schneider thematisiert in seiner Studie » Deutsch sein: Das Eigene, das Fremde und die Vergangenheit im Selbstbild des vereinten Deutschlands « ( 2001) die historische Dimension der › anderen ‹ Gruppen als Gegenbild des Eigenen, das stets ( neu ) hergestellt werden muss, um Abgrenzungen zwischen den Gruppen zu markieren und festzuhalten. Im national-deutschen Kontext lassen sich solche Abgrenzungen untergliedern in Konstruktionen der › Anderen ‹ außerhalb sowie innerhalb der deutschen Gesellschaft. Während die Definition der › Anderen ‹ außerhalb Deutschlands nach subjektiv empfundener › kultureller ‹ Distanz und historischen Vorlieben verläuft, werden die Vorstellungen der › Anderen ‹ innerhalb der deutschen Gesellschaft um zusätzliche Differenzmaßstäbe der nationalen Herkunft und Religion erweitert und zum allgemeingültigen Zugehörigkeitsparameter gemacht ( Schneider 2001).
Die Methode wurde von Marina Chernivsky, Christiane Friedrich und Jana Scheuring entwickelt und erschien 2014 in “Praxis Welten. Zwischenräume der Veränderung. Neue Wege zur Kompetenzerweiterung.”. Die Methode findet ihr im PDF Format hier, inklusive Vertiefungsangebot: Wer gilt als “fremd”?
Wenn wir in dieser Übung fragen : Wer gilt als fremd ? «, dann fragen wir indirekt : » Wer gehört dazu und wer nicht ? Es stehen dabei ganz unvermittelt die Fragen im Raum : Wer gilt als deutsch und wer gehört zum deutschen Wir dazu ? Die Übung kann auch von dieser Fragerichtung aufgerollt werden. Über das Fragen nach Fremdheit dringen wir jedoch schneller und eindeutiger zur Wir-Konstruktion vor und können ihre Ränder und Nahtstellen im Gruppendiskurs beleuchten. Die vorliegende Übung erfordert einen achtsamen Umgang mit Perspektiven
und Differenzen im Meinungsbild und unterschiedlichen Motivationslagen. Mittels der Leitfragen begeben wir uns gemeinsam mit den Teilnehmenden in moralisch aufgeladene Themengebiete, die Verunsicherung evozieren und eine Gegenwehr hervorrufen können. Die theoretische Einbettung und gruppendynamische Einstimmung auf den Inhalt und Ablauf kann die Motivation der Gruppe fördern, sich des Themas anzunehmen. Die Übung kann zu einer erhellenden Analyse eigener Verortungen, gesellschaftlicher Diskurse und Handlungsmöglichkeiten beitragen. Sie ermöglicht zudem Reflexion über:
• machtwirksame Fremdheitsmaßstäbe, Identität und Zugehörigkeitsordnungen
• wahrgenommene Nähe- und Distanzbeziehungen zu bestimmten Gruppen in der Gesellschaft
• aktuelle und historische Wirkmächtigkeit von gruppenbezogenen Vorstellungen, Zuschreibungen und Gruppenzuordnungen.
Eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung der Übung ist eine offene und vertrauensvolle Seminaratmosphäre auf Seiten der Teilnehmenden wie der Seminarleitung. Auf die unterschiedlichen Perspektiven sowie Erfahrungen der Teilnehmenden sollte besonders geachtet werden, denn es können auch eigene Differenz- und Diskriminierungserfahrungen berührt werden. Die Seminarleitung führt die Übung ein, visualisiert die gesammelten Ergebnisse und moderiert die Übungsauswertung.
Arbeitsform: Stuhlkreis
Gruppengröße: max. 20 Personen
Zeitumfang: 90 – 120 Minuten
Materialien: Moderationskarten und Flipchart für Notizen
Zur Übung Wer gilt als fremd? sind verschiedene Hinführungen denkbar. Die Wahl von leitenden Reflexionsfragen kann dem gesamten Seminarsetting angepasst werden. So kann eine entstehende Diskussion um das Phänomen der Fremdheit oder Fremdmachung aufgegriffen und in dieser Übung kanalisiert werden. Es bietet sich beispielsweise an, die Übung mit einer offenen Sammlung von Identitäts- und Differenzmerkmalen, oder Gruppen – welche die gesellschaftlichen Differenzlinien in der Breite aufzeigt – zu verknüpfen, und anschließend folgende Frage in den Raum zu stellen:
• Wer gilt in unserer Gesellschaft aktuell als fremd, distant oder nicht zugehörig?
Sollte die Übung den Aspekt der Herkunft besonders zentrieren, sollte die Sammlung darauf ausgerichtet sein.
Der Einstieg in die Übung kann durch die Phase › stiller Reflexion ‹ und
entlang folgender Leitfragen gefördert werden:
• Von welchen gesellschaftlich geteilten Bildern über Gruppen gehe ich aus?
• Welche Gruppen sind (aktuell) gesellschaftlich im öffentlichen Diskurs präsent?
• Welche gruppenbezogenen Bilder und Vorannahmen beeinflussen meine Wahrnehmung?
In dieser Phase ist es wichtig, Merkmale, die mit Herkunft verknüpft werden – zum Beispiel der Nationalität, Sprache, Religion, Kultur, Hautfarbe – aus dem Konglomerat an anderen zuvor gesammelten Merkmalen, herauszuheben und zusammenzuführen. Anschließend kann folgende Frage im Plenum andiskutiert werden:
• Welche Gruppen fallen Ihnen dazu ein?
Die Sammlung kann sowohl in Kleingruppen als auch im Plenum erfolgen. Die Entscheidung obliegt dem Seminarteam je nach Zeit und Gruppengröße.
Die neu dazu gesammelten Gruppen können am Flipchart im Kreisschema visualisiert werden. Hierzu eignen sich folgende Diskussionsfragen:
• Wenn wir annehmen, dass dieser Kreis die Mitte unserer Gesellschaft symbolisiert, wo würden Sie die genannten Gruppen verorten?
• Wie nah oder fern sind die Beziehungen dieser Gruppen zur Mitte der Gesellschaft und wie kommen diese Verortungen im öffentlichen Diskurs zum Tragen?
Binäre Unterscheidungen zwischen einem sozial konstruierten, natio-ethno-kulturellen Wir ( Mecheril 2003 ) und einem Nicht-Wir vermengen sich in der Regel mit wenig neutralen, eher herabsetzenden oder herabwürdigenden Zwischentönen und konkreten Benachteiligungspraxen. Die Bedeutung dieser Diskussion besteht hier vornehmlich in der Bewusstwerdung der eigenen Denkfiguren und tradierter Gruppenkonzepte mit ihren Vor- und Nachteilen im gesellschaftlichen Machtgefüge. Die Thematisierung von Gruppen und Gruppenverhältnissen erfordert einen differenzierten und kritischen Blick auf hegemoniale Machtverhältnisse, Zuschreibungs- und Zuordnungsdimensionen. Die Übungsauswertung entlang dieser Überlegungen macht auf kultur-rassistische Dispositionen aufmerksam, lässt Unterschiede nicht als naturgegeben betrachten und regt eine ( neue ) rassismuskritische Perspektive an. Mögliche Auswertungsfragen:
• Was fällt Ihnen an der Sammlung und dem entstandenen Schaubild auf?
• Wie lassen sich die unterschiedlichen Grade an Nähe und Distanz erklären?
• Wodurch werden sie aufrechterhalten ?
• Welche Bilder und Vorstellungen sind mit den genannten » Gruppen « verbunden ?
• Welche Funktionen erfüllen sie ?
Die Auswertung kann erweitert werden durch Ergänzung von hier nicht erwähnten »Gruppen« und das Ausloten der Gründe für ihre Abwesenheit im Diskussionsprozess. Eine Vertiefung in folgende Richtungen ist möglich, allgemein bezogen auf dem Umgang mit wahrgenommener Fremdheit sowie auf die konkrete Form der Herstellung von Fremdheit und Differenz.
• Wie werden diese Gruppen, die als sehr homogen betrachtet werden, behandelt und bewertet?
• Wie wird Differenz und Fremdheit hergestellt und begründet?
Judentum wird von außen oft einseitig wahrgenommen. In diesem Modul soll die Reflexion über Selbst- und Fremdbilder und der Zusammenhang zu Vorurteilen angeregt werden. Außerdem sollen jüdische Identitäten in ihrer Vielfalt wahrgenommen und Wissen zum Thema Judentum erworben werden, um einseitigen Sichtweisen entgegenzuwirken.
Diese Methode wurde vom Projekt MALMAD konzipiert und erstellt.
ZIELE
VORBERMERKUNG
Für dieses Modul sind keine Vorkenntnisse erforderlich, weshalb es gut zu Beginn eingesetzt werden kann. Dieses Modul kann auch als eigenständiger Teil durchgeführt werden, wenn allein zum Thema „Judentum und jüdische Identitäten“ gearbeitet werden soll. Außerdem eignet es sich gut, um im Anschluss an eine Synagogenführung eingesetzt zu werden.
Das Modul hat vier Bausteine: Identitätsbilder (Anhand einer Selbstreflexion erfahren die TN die Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, 45 Min.), Staffellauf (Anhand einer spielerischen Übung setzen sich die TN mit ihrem Wissen zum Thema Judentum auseinander, 25 Min.), Quiz (Anhand eines Quiz werden die TN mit Grundwissen zum Thema Judentum konfrontiert, 25 Min.) und Jüdische Selbstbilder (Anhand eines Ausschnitts aus einer Dokumentation werden die TN zu Fremdwahrnehmungen und Vorurteilen in Bezug auf jüdische Menschen sensibilisiert, 15 Min.). Die entsprechenden Materialien findet ihr weiter unten
ZENTRALE QUELLEN DIESES MODULS (vollständige Quellenangaben finden sich unter dem jeweiligen Baustein)
Christian Schmidt
Bundesminister a.D., CSU
Saba-Nur Cheema
Politologin & Publizistin
André Kuper
Landtagspräsident von Nordrhein-Westfalen, CDU
Dr. Michael Blume
Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus
Hakan Tosuner
Geschäftsführer des Avicenna Studienwerks
Dr. Reiner Haseloff
Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, CDU
Armin Laschet
MdB, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, CDU
Pfarrerin Ilona Klemens
Generalsekretärin der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
Jan Korte
MdB, DIE LINKE
Prof. Dr. Samuel Salzborn
Ansprechpartner des Landes Berlin für Antisemitismus
Dr. Dietmar Woidke
Ministerpräsident des Landes Brandenburg, SPD
Janika Gelinek und Dr. Sonja Longolius
Leitung Literaturhaus Berlin
Prof. Dr. Micha Brumlik
ELES-Vereinsmitglied
Düzen Tekkal
Journalistin, Filmproduzentin, Menschenrechtsaktivistin
Dr. Peter Tschentscher
Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, SPD
Hermann Gröhe
MdB, CDU
Dr. Wiebke Esdar
MdB, SPD
Manuela Schwesig
Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, SPD
Michael Müller
MdB, Regierender Bürgermeister von Berlin a.D., SPD
Manuel Herder
Verleger des Herder Verlags und Mehrheitsgesellschafter von Thalia
Frank Müller-Rosentritt
MdB, FDP
Dr. Annette Julius
Generalsekretärin der Studienstiftung des deutschen Volkes
Ekin Deligöz
MdB & Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bündnis 90/Die Grünen
Marina Chernivsky
Leitung Kompetenzzentrum (ZWST) und Geschäftsführung Ofek e.V.
Dr. jur. Markus Söder
Ministerpräsident des Freistaates Bayern, CSU
Tobias Hans
Ministerpräsident des Saarlandes a.D., CDU
Benjamin Strasser
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz, FDP
Dr. Gesine Lötzsch
MdB, DIE LINKE
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, FDP
Aydan Özoğuz
MdB, Staatsministerin a.D., SPD
Malu Dreyer
Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, SPD
Dr. Anja Siegemund
Direktorin des Centrum Judaicum, ELES-Beirat
Thomas Rachel
MdB, CDU
Prof. Dr. Frederek Musall
Stellv. Rektor der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg & ELES-Beiratsvorsitzender
Kai Gehring
MdB,
Dr. Christian Staffa
Beauftragter der Ev. Kirche in Deutschland für den Kampf gegen Antisemitismus & Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin
Prof. Jeanine Meerapfel
Filmregisseurin und ehem. Präsidentin der Akademie der Künste (2015-2024)
Michael Roth
MdB, SPD
Karin Prien
Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, CDU
Belit Onay
Oberbürgermeister von Hannover, Bündnis 90/Die Grünen
Volker Bouffier
Ministerpräsident des Landes Hessen a.D., CDU
Daniel Günther
Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, CDU
Annalena Baerbock
Bundesministerin des Auswärtigen, MdB, Bündnis90/Die Grünen
Prof. Dr. Georg Braungart
Leiter des Cusanuswerks
Dr. h. c.
Schirmherrin des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks
Stephan Weil
Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, SPD
Kerstin Griese
MdB, Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales, SPD
Dr. Klaus Lederer
Bürgermeister und Kultur- und Europasenator von Berlin, DIE LINKE
Dr. Felix Klein
Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus
Petra Pau
Vizepräsidentin des deutschen Bundestages,
Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm
Ehem. Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern & ehem. Ratsvorsitzender der EKD (2014-2021)
Anja Karliczek
MdB, Bundesministerin für Bildung und Forschung a.D., CDU
Friederike Faß
Leiterin und Vorstand des Evangelischen Studienwerks
Volker Beck
Geschäftsführer und Gesellschafter des Tikvah Instituts & seit 2022 Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) e.V.
Dietmar Nietan
MdB, SPD
Dr. jur. Andreas Bovenschulte
Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen, SPD
Dr. Michal Or-Guil
ELES-Geschäftsführerin
Bodo Ramelow
Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und Mitglied im Stiftungsrat der Leo Baeck Foundation
Winfried Kretschmann
Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Bündnis 90/Die Grünen
Prof. Dr. Natan Sznaider
ELES-Beiratsmitglied
Dr. Josef Schuster
Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Schirmherr von
Anetta Kahane
Gründerin & ehem. Vorstandsvorsitzende (1998-2022) der Amadeu Antonio Stiftung
Michael Kretschmer
Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, CDU